Das Kino
In den Nachkriegsjahren eröffnete man im Hirschsaal ein Kino, nachdem das Bahnhofhotel- Behelfskino abgebrannt war. Im Saal wurde an der Hinterwand gegenüber der Theaterbühne ein Kabäuschen gebaut, das die Filmapparaturen beherbergte und nur von außen zugänglich war über eine steile Metalltreppe.
Der Betreiber/Filmverleiher aus Villingen/ Donaueschingen brachte die Filmrollen des Samstags herbei, platzierte eine DIN-A4-große handschriftliche Ankündigung am hölzernen Scheunentor des Gebäudes mit dem nächsten Filmtitel plus 1-2 Schauspielernamen.
Am rechten Rand des Gebäudes führte ein enger, steiler Treppenaufgang zum Eingang bzw. winzigen Kassenschalter, dahinter zupfte die bezaubernde Lebensgefährtin des Kinochefs die Karten von der Rolle, welche ein Meter weiter an der Saaltür kontrolliert und abgerissen wurden.
Die Samstagabendvorstellungen waren durchweg gut besucht, obwohl die Räumlichkeit einiges an Komfort vermissen ließ. Rechts vorne an der Fensterseite zum Biergarten stand ein großer Holzofen, der während der kalten Jahreshälfte befeuert wurde, allerdings hatten die Kinobesucher das Heizmaterial mitzubringen: jeder ein ganzes oder halbes Kohlebricket oder ein dickes Holzscheit, dann konnte geheizt werden.
Die vordersten 6-8 Reihen (2. Platz) bestanden aus aneinandergereihten Holzbänken, man saß hauteng 5 Meter vor der Leinwand, die Eintrittskarte kostete etwa 80 Pfennige, dahinter schloss sich die 1. Platz-Sektion an, die aus 10 Reihen und einem Sammelsurium verschiedenster Stühle bestand, es war die beliebteste Platzierung.
Dahinter folgte ein 2 Meter breiter Quergang, der die 3-Stufen-Sperrsitz-Abteilung rechts und links des Vorführ-Kabäuschens abtrennte, eine einheitliche Bestuhlung hatte und wegen der dunklen Beschaffenheit besonders bei Pärchen beliebt war und die teuerste Eintrittskarte kostete.
Die Zuspätkommenden wurden von der Platzanweiserin mit quietschender Dynamo-Taschenlampe zu den freien Sitzplätzen geführt, der Vorstellungsbeginn wurde durch ein schrilles Klingelzeichen signalisiert, dann teilte sich der braune Vorhang und die Vorschau begann.
Ausschnitte von kommenden Filmen, Reklame-Dias von „gutbügerlichen Gasthäusern“ oder einer neu eröffneten Möbelhandlung wechselten sich ab, gefolgt von einer witzigen Karikatur mit dem Inhalt: Die Damen werden gebeten, ihre Hüte abzunehmen!
Die Skizze zeigte einen Besucher, welcher der vor ihm sitzenden Dame mit der Schere ein rechteckiges Guckloch aus dem großen runden Hut schnitt.
Es folgte noch der Hinweis, dass in den ersten beiden Sektionen nicht geraucht werden dürfte.
Dann begann das eigentliche Programm mit der „Wochenschau“, einem wöchentlichen Rückblick auf das politische und kulturelle Geschehen aus aller Welt. Alles in schwarz/weiß, wie auch die folgenden Filme.
Ausnahmen wie Farbfilme gab es auch manchmal wie Veit Harlan’s „Die goldene Stadt“, die nur ab 18 Jahren besucht werden konnten und von der Polizei an der Kassenschlange überwacht wurde.
Dieselbe polizeiliche Kontrolle war auch bei dem Hildegard Knef-Film „Die Sünderin“ notwendig (Nackedei in der Hängematte), nachdem von der Kanzel vom Besuch abgeraten wurde und der Zulauf erst recht begann.
Immer, wenn sich die Filmszene zur höchsten Spannung steigerte, kam unvermeidlich die Pause zum Filmrollenwechsel, bei Vollbeleuchtung war die Verzauberung sekundenschnell dahin.
Während der Besatzungszeit wurden manchmal französische Filme gezeigt wie „La nuit fantastique“ oder „Le malade imaginaire“.
Das Publikum war fast immer gut gekleidet, man „ging aus“ am Samstagabend, nach dem Film kehrte man oft in einem der vielen Gasthäuser ein, dann war das Wochenende perfekt. ( 1957 laut Statistik 15 Kinobesuche pro Person/Jahr)
Sonntagnachmittags gab es eine Kindervorstellung, die Eintrittspreise waren bescheiden, die Märchenfilme meist auch.
Komödien waren allgemein der große Renner, die Menschen wollten lachen nach den trüben Zeiten.
Nach der Vorstellung wurden die älteren Gäste mit einem goldzahnblitzenden Lächeln des Kinobetreibers persönlich verabschiedet mit der Ankündigung, dass die nächste Vorstellung wieder mit Willi Fritsch, Paul Hörbiger oder Theo Lingen stattfinden würde.
Nachdem die Film-Informationszettel einige Male in den Dreck geflattert sind, hing dann die Kino-Reklame im Schaufenster eines Fotoladens.
Allein aus dem Filmprogramm bestand das ganze Kulturleben das Jahr über, von festtäglichen Theateraufführungen oder dem Jahreskonzert der Feuerwehrkapelle abgesehen. Und einigen spärlichen Tanzveranstaltungen.
In den späten 50er-Jahren wurde dann vom Hirschwirt Franz Metzger auf dem Areal seines Platanen-Biergartens ein neues Lichtspielhaus erbaut, eingerichtet mit echten Kinoklappsitzen, mit 2 Sperrsitz-Logen, hellblauem Vorhang und ebensolcher Wandbespannung und einem einladenden, gut beleuchteten Foyer mit Kassenschalter und Verkaufsstand.
(Nehmen wir Loge, oder schauen wir lieber den Film an?) Ein gängiger Spruch damals.
Tempi passati - es ist lange her, seit „Max, der Bruchpilot“ seine Luftakrobatik demonstrierte oder die „Drei Codonas“ ihre Zirkus-Trapeznummer abzogen.
(Lothar Sonntag 2015)